Lebendige Antike: Vortrag von Professor Dr. Christoph Schäfer (Trier) über „Die Rekonstruktion eines antiken Handelsseglers und der antike Seehandel“

Nachdem der Althistoriker Christoph Schäfer bereits 2019 bei uns am Görres einen Vortrag über seine Pionierarbeit im Bereich der experimentellen Archäologie gehalten hatte, in der er die Rekonstruktion des antiken Handelsseglers „Bissula“ schilderte, die zu diesem Zeitpunkt noch in vollem Gange war, erfreute er uns in diesem Jahr (2022) erneut mit einem sachkundigen und lebendigen Vortrag zum gleichen Thema. Zwar war für die Zwischenzeit geplant gewesen, die Bissula durch ein Team der Uni Trier auf dem Mittelmeer zu erproben und in diesem Zusammenhang mit professioneller Segel-Software auch umfangreiche Messungen vorzunehmen. Das wurde jedoch in den Jahren 2020 und 2021 durch die Corona-Pandemie verunmöglicht. So sollte es im Mai 2022 endlich auf große Fahrt gehen – doch auch dies wurde – wie wir an diesem Abend erfuhren – wieder aus organisatorischen Gründen um ein Jahr verschoben. Während der Vortragende 2019 viel über die Segeleigenschaften der Bissula referierte, die eine möglichst exakte Rekonstruktion eines archäologischen Fundes aus Südfrankreich darstellt (Typ Lauron 2), und den Prozess des Wiederaufbaus genau beschrieb, den er mit insgesamt 80 Personen im Zusammenhang mit dem Fachbereich Technik an der Universität vorgenommen hatte, so fokussierte er sich im aktuellen Vortrag auf die Schlussfolgerungen, die durch die bisher vorliegenden Daten für den antiken Seehandel gezogen werden können. Auch wenn es merkwürdig erscheint, kann man in der wirtschaftlichen Struktur der Antike durchaus Tendenzen zur „Globalisierung“ – in einem antiken Sinne – ausmachen. So geht man davon aus, dass ein Transport von Karthago nach Rom Spitzenwerte von 2-3 Tagen erreichen konnte, ein Transport von Gallien nach Ostia 4-6 Tage. Von Alexandria nach Rom wurde teilweise ein direkter Nordkurs übers offene Meer gefahren, den man aufgrund der Winde, der Segeleigenschaften der benutzten Boote und der am Ende der Fahrtstrecke errichteten Leuchttürme nachweisen kann – in etwa eine antike „Autobahn“. Im Vergleich zu früheren Forschungsmeinungen, die die römische Schifffahrt im wesentlichen als Küstenschifffahrt ansahen, geht man also laut Professor Schäfer heute davon aus, dass tatsächlich beherzt übers offene Meer gefahren wurde. Diese Daten spielen eine wichtige Rolle in wissenschaftlichen Diskussionen zur Bewertung des antiken Seehandels. War er eher primitiv und beinhaltete eher eine kleine Waren- und Geldmenge oder handelt es sich tatsächlich um einen modern angelegten Handel? Die korrekte Antwort – so Professor Schäfer – liegt wohl in der Mitte. Daneben sprach Professor Schäfer allerdings auch von den Fahrten, die die Bissula bislang auf der Mosel gemacht hatte, also von den Segeleigenschaften dieses Rahseglers, und von den Erfahrungen, die er und sein Team im Laufe der Zeit gemacht haben. Dazu gab es auch am Ende des Vortrags viele begeisterte und spezielle Nachfragen. Viele interessierte Zuhörer waren offensichtlich selbst nautisch erfahren; ihnen stand der Professor auch nach dem offiziellen Ende noch Rede und Antwort. Aber auch zahlreiche Kollegen, Eltern und Schüler unserer Schule waren erschienen; einige der anwesenden Oberstufenschüler werden am 3.5. bei einer Exkursion nach Trier das rekonstruierte Schiff besuchen und von Professor Schäfer dort vor Ort sachkundige Erklärungen bekommen. Insgesamt also ein beeindruckender und praxisnaher Vortrag und ein gelungener Abend!

Susanne Reitz

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